Der letzte Zeuge: Söder, seine Frau und die Scheuer-Masken

Der bekannteste Zeuge kommt zum Schluss: Ministerpräsident Söder muss im Masken-Ausschuss zu umstrittenen Geschäften des Freistaats aussagen. Besonders im Fokus: Der Umgang mit zwei Masken-Angeboten, bei denen Söder persönlich eine Rolle spielte.

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Von

Petr Jerabek

Markus Söder stundenlang im Kreuzverhör – selten dürfte sich die bayerische Opposition so sehr über gesteigertes Medieninteresse für einen Auftritt des Ministerpräsidenten und CSU-Chefs freuen wie bei diesem Termin: Zum Abschluss der Beweisaufnahme hat der Masken-Untersuchungsausschuss des Landtags mit Söder den prominentesten Zeugen geladen, um dessen Rolle bei umstrittenen Geschäften mit Schutzausrüstung im Frühjahr 2020 zu beleuchten.

Nach Meinung des Vorsitzenden Winfried Bausback (CSU) hat der Ausschuss das „moralische Fehlverhalten Einzelner“ restlos aufgeklärt, aber den „Pauschalverdacht“ gegen die politisch Verantwortlichen klar widerlegt. In der Corona-Anfangsphase hatten zwei CSU-Politiker und die Tochter eines ehemaligen CSU-Urgesteins hohe Provisionen von Masken-Verkäufern kassiert. Hinweise auf weitere Zahlungen an Politiker fand der Ausschuss in der Tat keine. Laut Markus Rinderspacher von der SPD wurde aber dokumentiert, dass Unternehmer mit guten CSU-Kontakten bei der Auftragsvergabe bevorzugt worden seien: „Das nennt man Günstlingswirtschaft, Vetternwirtschaft, Filz.“ Ein Vorwurf, mit dem die Opposition am Freitag auch Söder konfrontieren will.

Grüne beklagen mangelnden Aufklärungswillen der Regierung

Der Ministerpräsident soll zu seiner Gesamtverantwortung aussagen, vor allem aber zu zwei Fällen befragt werden, in die er selbst involviert war: den von Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingefädelten Masken-Millionen-Deal mit einem Passauer Unternehmen sowie die letztlich gescheiterten Verhandlungen mit der Firma Baumüller von Söders Frau Karin Baumüller-Söder.

Beide Fälle seien überhaupt erst durch den Untersuchungsausschuss bekannt geworden, sagt Ausschuss-Vize Florian Siekmann (Grüne) und beklagt: „Die Staatsregierung hat sich nicht bemüßigt gesehen, reinen Tisch zu machen.“ Er wirft der schwarz-orangen Koalition mangelnden Aufklärungswillen vor.

Söder und die „Scheuer-Masken“

Besonders scharfe Kritik äußert die Opposition an Söder im Zusammenhang mit dem „Scheuer-Deal“. Der damalige Bundesverkehrsminister hatte das Angebot eines Unternehmers aus seiner Heimat Passau an die Staatsregierung weitergeleitet. Das bayerische Gesundheitsministerium lehnte einen Vertragsabschluss wegen Zweifeln am Standard der Masken zunächst ab, daraufhin schaltete sich zunächst Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) ein, kurz darauf auch Söder. In den Akten findet sich der Hinweis auf eine SMS des Ministerpräsidenten mit der Aufforderung: „Müsst Ihr nehmen.“

Noch am selben Tag, am 31. März 2020, wurde ein Kaufvertrag mit der Passauer Firma abgeschlossen – wie von der Staatskanzlei gefordert mit Absicherungsklauseln. Als eine Woche später acht Millionen OP-Masken aus China am Münchner Flughafen ankamen, ließen sich Söder, Herrmann und Scheuer auf dem Rollfeld vor der Fracht ablichten. Mit der Zeit sollte sich herausstellen: Die Zweifel an der Qualität der Masken waren absolut begründet.

SPD: Eine Art Hoflieferantentum

Die Masken seien „Schrott“ gewesen, sagt Rinderspacher. Grünen-Kollege Siekmann wirft Söder vor, für „das schnelle Foto auf dem Rollfeld vor dem Maskenflieger“ mangelhafte Ware in Kauf genommen zu haben. „Den Schaden hatten am Ende die Kliniken und die Verwaltung, die mitten in der Krise monatelang mit der Reklamation des mangelhaften Materials beschäftigt waren.“

Rinderspacher hält den Fall für exemplarisch für die gesamte Maskenaffäre. Der Passauer Unternehmer sei zum Zuge gekommen, weil er die richtigen Kontakte gehabt habe. Andere Anbieter seien dafür leer ausgegangen. „Es kann nicht wahr sein, dass wir in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts noch in einer Art Hofwirtschaft unterwegs sind, wo der Hoflieferant dem Ministerpräsidenten etwas liefern kann und alle anderen Unternehmen nicht.“ Ein Vorwurf, den das Gesundheitsministerium entschieden zurückweist.

Ministerin: „Es ging darum, Menschenleben zu schützen“

Im Ausschuss verwahrten sich mehrere Minister gegen die Angriffe aus der Opposition und verwiesen unisono auf die dramatische Notlage ganz zu Beginn der Pandemie. Die frühere Gesundheits- und jetzige Europaministerin Melanie Huml (CSU) schilderte im Ausschuss die Hilferufe von Kliniken und Arztpraxen nach Schutzausrüstung. „Der Markt war weltweit zusammengebrochen“, betonte sie. „Es ging darum, Menschenleben zu schützen und zu retten.“ Es sei nötig gewesen, „unter großem Zeitdruck schnelle und pragmatische Lösungen zu finden“. Vielfach sei es nicht möglich gewesen, „noch fünf Experten“ hinzuzuziehen.

Staatskanzleichef Herrmann verteidigte den Vertrag mit dem Passauer Unternehmen. Dieses Angebot sei besonders überzeugend gewesen, weil es um die Lieferung einer hohen Stückzahl in kurzer Zeit gegangen sei und Scheuer zugleich zugesichert habe, zügig einen Transport mit der Lufthansa zu organisieren. Denn gerade die Lieferung sei in dieser Phase der Pandemie eine Hürde gewesen. „Dass dieses Flugzeug da kam mit den Masken, das war eine enorme Erleichterung“, sagte Herrmann vergangene Woche. Es sei in der damaligen Notlage ein „Befreiungsschlag“ gewesen.

Die Rolle von Söders Frau

Huml und auch Herrmann versicherten, es sei „völlig egal“ gewesen, wer Angebote unterbreitet habe und auf welchem Weg sie eingegangen seien. Es sei vielmehr darum gegangen, überhaupt Masken zu bekommen, sagte die Ex-Gesundheitsministerin. Die Opposition zweifelt das weiter an und führt in diesem Zusammenhang das Angebot der Nürnberger Baumüller-Gruppe als Beispiel an. Karin Baumüller-Söder erinnerte sich, sie habe ihrem Mann „in einem morgendlichen Gespräch“ erzählt, dass ihre Firma mit Masken aus China helfen könne.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt längst das Landesamt für Gesundheit für Masken-Käufe zuständig gewesen sei, habe daraufhin die Leiterin der Task-Force Beschaffungen im Gesundheitsministerium das Angebot persönlich betreut, sagt Siekmann. Man habe sich intensiv um einen Vertragsabschluss bemüht, letztlich sei er trotzdem gescheitert. „Das zeigt gut, wie stark im Einzelfall Angebote aus der Politik oder über wichtige politische Kontakte priorisiert worden sind“, kritisiert der Grünen-Politiker. Für Rinderspacher hat dieser Fall „mindestens ein Gschmäckle“. Auch FDP und AfD kritisieren das Vorgehen der Staatsregierung.

„Showdown“ im Landtag

Schon vor Söders Befragung wird deutlich, dass beide Seiten ihr Urteil längst gefällt haben. Für die CSU bügelt der Ausschuss-Vorsitzende und Ex-Justizminister Bausback die Kritik der Opposition als „perfiden Versuch“ ab, den engagierten Einsatz von Politikern „unter Generalverdacht der Korruption“ zu stellen. Es gebe keinen Anlass dafür, von einer Günstlingswirtschaft oder einem Bananenstaat auszugehen. Es sei darum gegangen, in einer extremen Notsituation Masken zu beschaffen. Söders Auftritt im Ausschuss werde das Bild noch vervollständigen. „Aber ich erwarte jetzt keine großen Überraschungen.“

Die SPD hofft derweil auf einen „Showdown im Untersuchungsausschuss“. Dafür schlüpft Fraktionschef Florian von Brunn ausnahmsweise persönlich in die Rolle des befragenden Abgeordneten. Er wolle Details zu den Deals und geplanten Geschäften, mit denen Söder „persönlich befasst war“, aber auch Antworten zu Söders politischer Gesamtverantwortung. „Ich hoffe sehr, dass er sich im Gegensatz zu anderen wichtigen Zeugen noch an alles erinnern kann und nicht alle fragwürdigen Geschäfte nur mit dem Verweis auf die Notlage rechtfertigt.“

Ausschuss der Superlative

Fest steht, dass es ein Untersuchungsausschuss der Superlative war: 3.400 digitalisierte Akten mit insgesamt mehr als zwei Millionen Blatt wurden zusammengetragen, in bisher 44 Sitzungen rund 150 Zeugen gehört. Die Protokolle aus den vergangenen gut zwölf Monaten umfassen laut Bausback bereits jetzt mehr als 4.600 Seiten.

Die Dauer der Sitzungen summiert sich auf 240 Stunden. Allein die Befragung von Huml und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am vergangenen Montag dauerte von 9.30 Uhr morgens bis tief in die Nacht hinein. Dafür waren die Auftritte der Nutznießer der Masken-Geschäfte kurz und knapp: Der Landtagsabgeordnete Alfred Sauter, der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein und die PR-Unternehmerin Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Ministers Gerold Tandler, schwiegen im Ausschuss.

Bis Ostern soll es einen Abschlussbericht geben. Dass Vertreter der Regierungsfraktionen auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite zu ganz unterschiedlichen Bewertungen kommen werden, ist längst klar.

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